Niedrigschwellige Selbstnutzerangebote

Die in der Zeitung so zitierte „Selbstnutzerbewegung Leipzigs“ entspringt dem Wunsch der Verwaltung und vieler Leipziger Familien, zu einem möglichst günstigen Preis in der inneren Stadt Wohneigentum zu erwerben und dabei eine weitestgehende Selbstbestimmung zu praktizieren. Die Stadt Leipzig unterstützt diese Wünsche mit der Finanzierung der erforderlichen Beratungs- und Moderationsangebote.

Nach sieben Jahren erfolgreicher Arbeit dieses Modells (330 beratene Familien, 60 Mio € Investitionen) unter der Prämisse, die Eigentumswünsche einkommensstärkerer Haushalte vom Stadtrand in die Innenstadt zu lenken, werden zunehmend Rufe nach einem Parallel-Modell für Geringverdiener laut. Dies wird von der Tatsache flankiert, dass viele Bestandsbauten an Ecken, lauten Verkehrsstraßen, auf zu kleinen Grundstücken oder in weniger beliebten Vierteln für besser verdienende Selbstnutzer-Familien wenig attraktiv sind.

Für junge Leute ohne Eigenkapital und geringem Einkommen und damit ohne Aussicht auf einen Bankkredit, aber mit viel Freizeit und Tatendrang eröffnet sich dagegen die Möglichkeit, in diese dem Verfall preisgegebene Bestandsbauten einzuziehen und diese mit viel Eigenleistung in einen nutz­baren Zustand zu bringen. Das Wächterhaus-Modell der Stadt Leipzig hat hier eine Pionierleistung vollbracht, indem sie diese leistungsbereiten Gruppen an Hauseigentümer heranführt, die für einen Zeitraum von mindestens 10 Jahren ihren unverkäuflichen Bestandsbau diesen Gruppen zur Nutzung überlassen.

Zunehmend wird dieses Modell von Gruppen angefragt, die die Eigenleistung aber lieber in einem Haus erbringen würden, das ihnen selbst gehört. Für diese Gruppen ist das von selbstnutzer.de erfolgreich angewandte Modell der WEG kaum nutzbar, da dieses auf der Grundlage des privaten Eigentums an einer vollsanierten Wohnung beruht (WEG-Modell) und mit der Realisierung von durchschnittlichen Standards (und den damit einhergehenden höheren Kosten) nur geringe zukünftige Risiken aufweist.

Dagegen sind Zusammenschlüsse von Personen ohne ausreichende Kapitalbasis beim Erwerb und der Sanierung von Wohngebäuden unüberschaubaren Risiken ausgesetzt, wenn sie dies in der Rechtsform einer GbR oder eines e.V. angehen (gegenseitige Vollhaftung, da bei Ausfall eines Mitgliedes die anderen einzeln dafür haften).

Um den Aspekt der Risikominimierung auch bei Projekten von Geringverdienern mit hoher Eigenleistung verwirklichen zu können, wird das Modell des genossenschaftlichen Wohneigentums vorgeschlagen, bei dem durch eine zweijährige Pflichtprüfung durch einen Prüfungsverband eine laufende kaufmännische Überwachung besteht und bei dem die Haftung des Einzelnen auf seinen Genossenschaftsanteil beschränkt ist (250 – 5000 €).

Die Rechtssicherheit dieses Modells wird durch geprüfte Formularverträge bewirkt, die bei der Gründung der Genossenschaft verbindlich sind, ergänzt durch ein obligatorisches Gründungsgutachten des jeweiligen Prüfungsverbandes. Das Selbstnutzer-Programm der Stadt Leipzig bietet hier zukünftig Beratungsleistungen an. Im Einzelfall ist zu prüfen, ob bei höherem Eigenkapital auch die Rechtsform der eigentumsorientierten Genossenschaft gewählt wird, die bei Erfolg einer WEG-basierten Eigentümergemeinschaft ähnlich ist.

Eine notwendige Grundlage dieses Modells sind günstige Einstandspreise für die Substanz bzw. die Bereitschaft der Eigentümer zu unkonventionellen Finanzierungsmodellen für den Kaufpreis.